Patella Luxation beim Kleinhund

Die Kniescheibe (Patella) ist ein ovaler oder tropfenförmiger Knochen, der beim Hund viel kleiner als beim Menschen ist. Bei einem mittelgroßen Hund hat sie ungefähr die Maße eines kleinen Fingernagels. Die Patella Luxation (PL) ist wohl eine der häufigsten orthopädischen Erkrankungen beim Kleinhund.

Die Ursache für die Entstehung der Erkrankung ist nicht vollständig geklärt. Die PL kann sowohl vererbt, in der Wachstumsphase erworben als auch verletzungsbedingt sein. Sie tritt dann meist nur auf einer Seite auf und ist häufig mit einer Verletzung, gerissenen Bändern und einem Hämatom verbunden. Auch Übergewicht und Gelenkserkrankungen bei älteren Hunden können eine PL begünstigen.

Mit PL 0 bezeichnet man Hunde, die frei von Patella Luxation sind. Die PL wird in 4 Grade unterteilt: 1, 2, 3 und 4 – leicht bis schwer.
Grad 1: Nur durch manuellem Druck durch den Tierarzt kann die Kniescheibe in Beuge- und Streckbewegung luxiert werden, sie gleitet aber bei nachlassendem Druck spontan in die Rollfurche zurück. Es besteht eine habituelle Luxation ohne klinische Symptome oder Schmerzen.
Grad 2: Die Patella luxiert spontan oder kann durch den Tierarzt bei gestrecktem Knie luxiert werden. Sie bleibt luxiert bis sie durch aktiven Druck oder Streckung des Kniegelenks in die Rollfurche zurückverlagert wird.
Grad 3: Die Kniescheibe ist permanent luxiert, durch Druck oder Streckung kann sie zwar in die Rollfurche zurückverlagert werden, bei nachlassendem Druck reluxiert die Patella aber wieder in ihre Ausgangsstellung.
Grad 4: Die Patella ist permanent luxiert, eine Reposition ist nicht möglich. Der Hund kann das Kniegelenk nicht durchstrecken. Teilweise kann das Kniegelenk derart verdreht sein, dass das Bein ständig hochgehalten wird.

Wir möchten die Erkrankung keinesfalls verharmlosen, aber wir möchten Hundehaltern die Angst nehmen, denn ein Hund mit diagnostizierter PL ist nicht automatisch schwerkrank. Wir sind keine Mediziner, aber wir haben selber Erfahrungen mit PL und haben viele Gespräche mit Fachtierärzten geführt. Seit Jahren beschäftigen wir uns sehr intensiv mit dem Thema. Es gibt unseres Wissens nach keine offizielle Statistik in Deutschland, aber fragt man verschiedene Tierärzte nach ihren Erfahrungen, geben die Meisten an, dass etwa 70-80 % aller Kleinhunde im Laufe ihres Lebens von PL betroffen sind.

Ein Hund mit leichter PL hat in aller Regel in den wenigsten Fällen gravierende Probleme und braucht nicht geschont werden. Er kann auch mit PL uralt werden. Der Hund zeigt meistens weder Schmerzen noch Lahmheit. Operationen sind häufig vorschnell, sehr teuer und nicht immer verbessern sie die Situation, dafür aber den Geldbeutel des Tierarztes. Selbst Hunde mit PL 2 und sogar mehr müssen selten operiert werden. Man sollte den Hund nur operieren lassen, wenn der Hund unter starken Schmerzen leidet, vor allem aber keine jungen Hunde, die noch im Wachstum sind, denn durch das Wachstum können trotz OP später wieder Veränderungen an Knochen, Muskulatur und Bändern auftreten. Auch alten Hunden sollte man diese OP ersparen und stattdessen zu anderen Therapien greifen.

Bei kleinen Hunden ist es wichtig, dass man als Hundebesitzer bereits im Welpenalter darauf achtet, dass der Hund die Gelenke nicht zu stark beansprucht. Das Skelett ist nach der Geburt noch nicht fertig ausgeformt. Selbst bei Welpen mit gesunder Veranlagung kann es zu schweren Deformationen der Knochen kommen, meistens verursacht durch frühzeitige Überbelastung oder unsachgemäße Fütterung. Nur wenige Treppenstufen, kein Herunterspringen von der Couch, Herumtoben möglichst mit Hunden gleicher Größe und Vorsicht bei zu rutschigen Böden. Mit Agility, Radfahren u.ä. Sportarten sollte man warten, bis der Hund ca. 2 Jahre ist, denn erst dann ist der Körperbau in seiner Entwicklung abgeschlossen. Natürlich darf man den Welpen auch nicht nur schonen, denn zu wenig Bewegung kann ebenfalls zu PL führen. Es ist wichtig, dass der Hund genug Muskelgewebe bildet, da die Muskeln dem Gelenk zusätzlich Halt gebe. Außerdem sollte man auf hochwertiges Futter insbesondere im Wachstumsalter achten.

Bei bestehender PL (oder auch vorbeugend) kann man mit Nahrungsergänzungen, wie z.B. Gelatine, Glukosamine und Grünlippmuschelextrakt, und gezielten Übungen zum Muskelaufbau und -stärkung der hinteren Gliedmaßen helfen. Gute Präparate sind Ultra Spur und Canosan, aber da kann auch der Tierarzt sicher Empfehlungen aussprechen. Eine kräftigere Muskulatur hilft das Gelenk zu stabilisieren. Das funktioniert umso besser, je jünger der Hund mit dem Muskeltraining beginnt.

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Für ein solches Training und den gezielten kontrollierten Muskelaufbau eignet sich besonders ein Hundelaufband. Für kleine Hunde empfehlen wir die Anschaffung des MiniPacer, ein Laufband der Firma European Pet Group speziell für kleine Hunde. Bitte halte vorher Rücksprache mit Deinem Tierarzt und lass Dir von einem Tierphysiotherapeuten zeigen, wie das Laufbandtraining funktioniert.

So ein Laufband eignet sich neben gezieltem Muskelaufbau auch für Konditionstraining, bei Übergewicht, nach Operationen, bei Hyperaktivität oder Bewegungsmangel. Wobei wir hier ausdrücklich darauf hinweisen, dass ein solches Laufband für Hunde KEIN Ersatz für die täglichen Spaziergänge ist, sondern nur eine Ergänzung. Ein Laufband kann nicht die gemeinsamen Stunden in der Natur ersetzen, aber es hilft, gezielt und bei jedem Wetter deinem Hund die nötige Bewegung zu verschaffen, die er für ein gesundes, langes und glückliches Leben benötigt.

Für die Zuchttauglichkeit eines Hundes ist der Grad der PL entscheidend. Je nach Verein gibt es unterschiedliche Vorgaben. Manche Vereine bestehen auf Grad 0, die meisten Zuchtvereine auch die im VDH erlauben die Zucht mit Grad 1. Dazu muss man wissen, häufig tritt eine PL erst im Alter auf. Verlangt ein Verein also Grad 0 und vergibt aufgrund einer einzigen Untersuchung im Alter von etwa 15 Monaten eine unbefristete Zuchterlaubnis, garantiert das keinesfalls eine PL freie Zucht. Eine Nachuntersuchung ist in den Vereinen nämlich selten bzw. gar nicht vorgeschrieben. Ein weiteres Problem ist, dass selbst Hunde, die in mehreren Generationen PL frei gezüchtet sind, trotzdem wieder Nachwuchs mit PL Problemen zeugen können.

Wir durften in der Vergangenheit an einer Weiterbildung mit Frau Dr. Helga Eichelberg, langjährige Züchterin, renommierte Zoologin und Hundeforscherin, als Dozentin vom VDH teilnehmen. Wir möchten hier gern ein Zitat von Frau Dr. Helga Eichelberg anführen, denn sie hat es unserer Meinung nach genau auf den Punkt gebracht: „der Wunsch einen genetisch gesunden Hund züchten ist eine Illusion… Bei der Defektbekämpfung wird es zukünftig notwendig sein, für die Rassen Prioritätenlisten aufzustellen… der Leidensdruck des Hundes muss der entscheidende Punkt sein. Es macht eben einen entscheidenden Unterschied, ob einem Hund das Knie weh tut oder ob er nach Luft ringen muss, denn letzteres ist mit Lebensangst verknüpft, und es macht auch einen Unterschied, ob er trübe Linsen hat oder ob er einem unaufhörlichen Hautjucken ausgesetzt ist. Natürlich sollte er am besten gar kein Handicap haben, doch das ist Wunschdenken“.

Es gibt also keinen Grund, mit dem Finger auf Züchter zu zeigen, die Nachkommen mit PL leichten Grades in ihrer Zucht haben oder Hunde mit PL 1 in ihrer Zucht belassen, solange diese vernünftig verpaart werden. Auch unsere Lulu hat eine leichte erworbene PL 1 auf ihrem rechten Hinterbein und war trotzdem in der Zucht. Würde man annehmen, die Schätzungen der Tierärzte seien korrekt und würde man tatsächlich alle Zuchthunde wiederholt untersuchen und bei nur leichtem PL Befund aus der Zucht nehmen, käme es unwiderruflich zum genetischen Flaschenhals, was zur genetischen Verarmung jeder Rasse führt und schwere andere Erbkrankheiten mit sich bringen könnte. Bei vielen Rassen ist es aus populationsgenetischer Sicht sogar notwendig, Hunde mit PL 1 in der Zucht zu belassen, die dürfen dann aber nur mit PL-freien Partnern verpaart werden. Je weniger Hunde für die Zucht zur Verfügung stehen, desto geringer die genetische Vielfalt, umso anfälliger wird diese Rasse für Erkrankungen. Mit einer leichten PL kann jeder Hund ein langes Leben führen, mit einer erblichen Herzerkrankung, einem Leber- oder Nierenschaden, kann das Leben bereits nach wenigen Jahren zu Ende sein.

Es ist eine Herausforderung für alle Zuchtverbände das Wohl der Rassen im Auge zu behalten. Unserer Meinung nach kann kein Züchter bis ins hohe Alter PL freie Hunde garantieren. Auch bei der sorgfältigsten Auswahl der Zuchthunde, bleibt immer ein Restrisiko – Mutter Natur.

„Der Hund ist der Gott der Ausgelassenheit.“ Henry Ward Beecher